Heinrich Achenbach an seinen Bruder Adolf am 4. November 1871
Keuchhusten sehr kräftig mitgenommen würde.
Letzterer plagt den armen Kerl nun schon in der
8. Woche. Seit gestern scheint der Husten
sich zu mildern. Heino hat den Husten nur
4-5 Wochen gehabt.
Mein Mandat zum Abgeordnetenhause habe ich
aus den Dir bekannten Gründen bisher nicht
niedergelegt, wiewohl ich mehrmals dem Entschlusse
nahe war, überhaupt auf das Mandat zu
verzichten. Die Gründe für den letzteren Entschluss
liegen darin, dass 1. voraussichtlich im
Abgeordnetenhause die religiösen Fragen,
kirchenfr., Trennung der Schule von der Kirche
usw. eine Rolle spielen werden u. ich
meinerseits nicht geneigt bin, meinen
neueren Überzeugungen augenblicklichen, bis
in die Regierungskreise, wie es scheint,
hineingehenden Strömungen zu opfern.
2. die Eisenbahnfrage die Interessen
der Kreise Siegen u. Wittgenstein spaltet u. ich unmöglich,
für die eine oder andere Linie Partei ergreifen
kann, wenn die ausführende Gesellschaft sich
für eine Linie entscheiden sollte, welche den Interessen
des einen der Kreise nicht völlig entspricht. Mir
ist die Rolle zugewiesen, dass ich für das Zu-
standekommen einer Eisenbahn Linie wirken muss; die spezielle Linie aber vermag ich nicht zu bekämpfen,
wenn die betr. Eisenbahngesellschaft sich für dieselbe entscheidet. Freilich haben die Siegener Projecte zunächst
die Sache nur verwirrt u. es ist fraglich geworden,
ob jetzt irgend etwas zu Stande kommt, aber
man verlangt von mir, wie am anderem
Orte mein Mitwirken u. wird bei einer et-
waigen Auswahl diese Situation voraussicht-
lich nicht ausbeuten. Einen sehr ruhigen Artikel
aus einem Wittgenst. Blatte lege ich Dir bei.
Kürzlich war auch wegen der Eisenbahn eine
Wittgenst. Deputation hier. Sie soll befriedigt
abgezogen sein, obwohl sie schwerlich irgend
etwas erwirkt hat. Bisher bin ich es bekanntlich
ganz allein gewesen, welcher die Eisenbahns. hier förderte.
Ich konnte dies auch unbedenklich, weil das Siegener
Project bis vor kurzem völlig aufgegeben war,
nunmehr aber wenigstens an Chancen gewinnt.
3. Werde ich mich auch wegen größerer Amtsgeschäfte
dem Beruf des Abgeordneten nicht mehr mit
früherem Eifer widmen können.
Bei der nahen Zusammenkunft des Abgeordnetenhauses bin ich
nun zwar gewillt, bei meinem früheren Entschlusse
zu bleiben u. das Haus darüber entscheiden zu
lassen, ob mein Mandat erloschen ist. Wird
letzteres angenommen, so gedachte ich zu erklären,
dass ich zwar eine etwaige Neuwahl annehmen
würde, mich dem Wunsch füge, dass das
Vertrauen der Wähler sich auf einen anderen
Vertreter lenken möge. Was hältst Du da-
von? Nur in zwei Worten Deine Meinung.
Oder soll ich die Neuwahl ruhig abwarten
u. meine früheren Erklärungen bei solchen
Gelegenheiten wiederholen?
Mein Bericht über die freiwillige Kranken-
pflege ist jetzt erschienen. Er ist ein sehr
großes Opus geworden. Ich gedenke ein
Exemplar für Dich noch aufzutreiben u.
Bildnachweis: StA Siegen, Nachlass Achenbach, Nr. 624