Brief des Vaters an Adolf Achenbach vom 11. Mai 1849
Lieber Adolph !
Ich habe heute einen Brief an Gerhardus zum Fort-
senden unter Couvert des ... [?] geschickt, worin ich
Euch ausführlich schrieb. Ich glaubte nicht, dass ich noch-
mals die Feder ergreifen müsste, allein leider ! bin ich
dazu gezwungen. Heinrich hat uns in die tiefste Be-
trübnis versetzt! Ich erhalte soeben einen Brief mit
Rechnung, von der Ritterschen Buchhandlung in Soest, woraus
hervorgeht, dass Heinrich von Neuem 15 Thlr. 12 Sgr. 6 Pf. schul-
dig geworden ist, worauf er jetzt gemahnt wird.
Zur Deckung der Buchhändlerschuld hatte ich im Oktober oder Novem-
ber vorigen Jahres 34 Thlr. gesandt, und nun kommt dieser
neue Posten! Und noch das Schönste ist, Heinrich hat aus-
drücklich versichert, er habe von 1848 an Alles bezahlt,
und es sei nichts mehr rückständig. Als ich ihm nun das
Geld gesandt, als ich ihm zwar Vorstellungen in den schonend-
sten Ausdrücken, aber keine Vorwürfe gemacht hatte, als
ich ihn bat, doch auf unsere gedrückte Lage, auf unsere schweren
Sorgen Rücksicht zu nehmen, antwortete er in den rührendsten
Ausdrücken und mit den bestimmtesten [?] Versprechungen. Und
nun kommt von Neuem dieser Soll! Und doch hatte er von
der Hälfte des Oktobers vorigen Jahres an
einschließlich des Kostgeldes vom 3. Quart. 48 mehr als 230 Thlr.
erhalten! Würde das nicht zu viel sein, wenn wir vermögend
wären? Ist es aber nicht sündlich bei unserer Lage? Und wie
unwahr, wie unehrenhaft, wie sorg- und gewissenlos hat
Heinrich gegen uns gehandelt! Der gegenwärtige Augenblick ist
ist schwer und sorgenvoll, aber es tritt ganz in den Hintergrund,
wenn ich daran denke, was wir von unserem Kinde erleben [?]
müssen. Dass solches Leben nicht fortdauern kann, versteht
sich von selbst. Wollten wir auch dagegen gleichgültig
sein, es geht nicht, wir können es nicht. Unsere
Mittel reichen nicht mehr aus, solche Verschwendung
fortbestehen zu lassen. Wir können nichts mehr bezahlen.
Wir verlangen deshalb, dass Heinrich sich bestimmt [?] er-
kläre, ob er sparsam und, was noch unendlich mehr ist,
wahr sein will oder nicht. Kann er es nicht, dann möge
er sofort hierher zurückkehren und in ein Büreau oder
ein möglichst für ihn passendes Gewerbe treten, aber
fortstudieren soll er auf keinen Fall, denn ich habe Pflichten
gegen Deine Mutter, gegen Dich und meine eigenen Eltern [?],
und ich will nicht zum Bettler und beschimpft werden, um
meine geringen Mittel, die ich mit schweren Sorgen und unter
vielen schlaflosen Nächten zusammen bringen muss, zur Existenz
eines Taugenichtes zu verschleudern. Will er aber wirklich
anders werden (auf heuchlerische Worte gebe ich nichts mehr),
dann beweise er es durch die That. Zugleich verlangen
wir nunmehr ausdrücklich, dass Du die Kasse übernimmst,
die Collegiengelder, Kost etc. selbst bezahlst auch Hein-
rich nur wöchentlich ein mäßiges Taschengeld erhält.
Auch will ich Alles aufgeschrieben, auch vierteljährig
das Verzeichnis der Ausgaben übersandt haben. Ferner
hat Heinrich mir sofort nachzuweisen, wo er die Gelder
seit Herbst hingebracht und namentlich, ob er Hr. Stumpf [?] vollstän-
dig bezahlt hat. Von letzterem muss ich Quittung haben.
Heinrich sagte mir, dass er irgendwo Rechnungen hingelegt
legt habe. Wo sind sie, damit ich sie nachstehe. Ich muss jetzt
alles wissen, und Heinrich hat deshalb unumwunden zu
erklären, ob und was er etwa noch schuldig ist. Er
möge wohl bedenken, dass ich nicht ferner durch Mahn-
briefe beschimpft werden will, und dass ich daher so-
fort nach Soest schreiben und selbst überall die
nöthigen Schritte thun werde, wenn mir nicht unum-
wunden, völlig genügende Antwort wird.
Wo ist auch der in der Rechnung mit 20 Thlr. [?] aufgeführte Atlas
von Littrow geblieben? Vielleicht für wenige Groschen vertrödelt?
O, es ist arg !
Schreibe mir lieber Adolph, umgehend, wir sind sehr beunruhigt.
Dein Vater.
Am 11.5.49