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Briefe Heinrich Achenbachs und seines Bruders Adolf (Auszug) vom 2. Mai 1849

Berlin, den 2. Mai 1849


Liebe Eltern!


So wäre denn die große Reise zurückgelegt und der


so genannte Mittelpunkt der Intelligencia erreicht! Mit

vollen Segeln sind wir vom Lande abgefahren, mit 


tausend kühnen Hoffnungen in der Brust; doch, wie


gewöhnlich, ist auch hier Windstille eingetreten, die 


Hoffnungen sind Hoffnungen geblieben und harren bis 


jetzt noch der Erfüllung! Was man von den 


Annehmlichkeiten des Lebens in Berlin erwartete:

das eben ist nicht weit her! Die verschiedenartigen 


Vergnügungen, die tausenderlei Gegenstände, die das 


Auge angehen, scheinen nur da zu sein, um den 


Menschen nichts vollständig genießen zu lassen. Man 


eilt von dem einen zum anderen, man ist durch 


keine Sache befriedigt; während die linke Hand


nach einem Gegenstande zugreift, sieht die rechte


schon einen anderen zu erfassen. Kurz und gut, 


ein ruhiges, seelenvolles Vergnügungen, wie man es


in kleinen Städten haben kann, ist hier durchaus

unmöglich! Aber die Oper, das Theater? Auch 


die sind so gut, wie nicht da, und zwar eben


wieder deshalb, weil die Menge der an-


ziehenden Gegenstände auch dort einen wahrhaft 


ästhetischen Genuss unmöglich macht. Und dann 


das Leben und Treiben auf den Straßen! 


Ja, das hat in den ersten Tagen etwas für sich,

aber schon jetzt langweilt mich der ewige Anblick

 

 

 

befrackter und behuteter Dandys, schon jetzt ärgert 


und belästigt mich das beständige Rasseln der Wagen. 


Aber das wird sich vielleicht bald ändern; mag es doch

einem jeden Provinzialen, besucht er die Hauptstadt zum 


ersten Male, so gehen; und wer weiß, ob ich mich

später in die Ruhe einer kleinen Stadt, wo ... [?] 


und ... [?] die einzigen Spaziergänger auf den


Straßen sind, zu finden weiß. Wie ich mir 


denken kann, werdet Ihr eine nicht geringe Furcht 


und Besorgnis gehabt haben, als Ihr die Nachricht


von hiesigen Unruhen wegen der Auflösung der zweiten 


Kammer empfinget. Wir waren schon in Berlin, als 


sie stattfanden, jedoch kennen wir dieselben nur 


aus den Zeitungen. Es war ein Zusammenlauf


auf dem Dönhoffsplatz, die übrige Stadt lag in 


der tiefsten Ruhe; die Sache hat auf Berlin nicht 


den geringsten Eindruck gemacht! Ein Aufstand 


gehört in das Reich der reinsten Unmöglichkeit, 


und das weiß jeder Vernünftige nur zu gut.


Im Übrigen ist indes der Belagerungszustand 


in keiner Weise drückend und belästigend; wer 


etwas Gutes im Sinn hat, wird hier keiner-


lei Beengung oder Schranken finden. Die Constabler 


sind, so weit ich sie bis jetzt kenne, äußerst 


höflich, und ich begreife nicht, wie man sie

so sehr hat anfeinden können. Überhaupt scheinen 


nur die Zeitungen, sowohl in Bezug auf die Auf-


regung des Volkes in Berlin, als auch, was das 


drückende des Belagerungszustandes anbetrifft, stark 


zu übertreiben und übertrieben zu haben. Doch ich 


will mir dies alles für spätere Berichte aufheben, 


wenn ich mehr aus Gewissheit darüber ein Urtheil fällen

kann; erfahret nur noch, dass ich H. v. Beughem 


nicht habe treffen können, Adolph hat ihn dagegen 


gesprochen. Gestern ließ ich mich matrikulieren, wo-


bei nur bemerkt wurde, dass ich in spätestens 14 


Tagen ein Zeugnis meines Vaters beizubringen 


hätte, worin bescheinigt sei, dass derselbe mir 


erlaubt, die Universität Berlin zu besuchen. Ihr 


werdet mit deshalb dasselbe umgehend zu zusenden 


haben. Von Collegien werde ich jedenfalls Justitu-


tionen, Methodologie des Rechts und Naturrecht 


belegen. Über die zu hörenden Publika bin ich 


noch nicht mit mir einig.


Mit herzlichstem Gruß und dem Versprechen, in 


den nächsten Tage ausführlicher zu schreiben


Euer treuer Sohn Heinrich


Unsere Adresse ist: Marienstraße No. 1, C.


Ich habe hier sehr viele Bekannte schon getroffen, darunter


auch zwei, die mit mir abgegangen sind. –

 

 

2. Mai 1849

Liebe Eltern


Ich kann nicht umhin einige wenige Zeilen dem Briefe 


Heinrichs anzuschließen, um die Lücke, welche sich in dem-


selben findet, aufzufüllen. Wenn Heinrich in seinem Briefe 


die Eindrücke, welche das sociale u. polit. Leben Berlins auf


ihn ausübt, schilderte, so werde ich zunächst die Kosten ins Auge


fassen, mit denen unser hiesiger Aufenthalt verbunden sein 


dürfte, und, soweit es mir schon jetzt möglich ist, die Vortheile her-


vorheben, welche der hiesige Aufenthalt unserer geistigen Aus-


bildung gewährt. Ihr selbst dürft dann entscheiden, ob


die unter gewissen Bedenklichkeiten getroffene Wahl der 


Universitätsstart den gehegten Erwartungen entspricht.


Die Entfernung von Siegen bis Berlin ist zwar groß,

die 
Reise aber weder lang, anstrengend noch kostspielig. Wir 


kamen Freitag morgens gegen vier Uhr in Hagen an, legten 


uns dort mehrere Stunden zu Bette, fuhren um 9 Uhr morgens 


mit der Eisenbahn ab, trafen gegen 11 Uhr in

Dortmund ein. Hier ließen wir uns direct nach Berlin ein-


schreiben. In Hannover [?], wo wir um 9 Uhr Abends eintrafen,


übernachteten wir. Sonntag morgens um 5 Uhr reisten wir 


mit dem ersten Zuge weiter und erreichten schon gegen 


4 Uhr Nachmittags Berlin. Das Gepäck, welches die Reisenden 


sonst so sehr zu belästigen pflegt, hat uns gar keine Mühe und


Sorgen gemacht: wir bekamen es auf dem ganzen Wege von


Dortmund bis Berlin erst hier wieder zu Gesichte, wo es

nach Abgabe des Gepäckzettels gegen eine kl. Vergütung auf einen


der bei dem Stationsgebäude zahllos patrouillierenden Bahnkutschen 


gebracht wurde, mit der wir für 5 Sgr. nach Köpfen auf den


...platz [?] fuhren. Die ganze Reise von Siegen 


bis Berlin incl. eines mehrtägigen Aufenthalts im Gasthause


kostet á Person ungefähr 15 Thlr. Sehr gut lässt sich die 


ganze Reise mit 12 Thlr. machen. Hiervon könnt ihr ersehen, 


wie nahe Ihr uns trotz der großen Entfernung seid. Wenn 


Ihr nur aber wolltet, könntet Ihr uns hier in diesem


... [?] besuchen, ohne größeren Kosten- und Zeitaufwand

als etwas zu einer Reise nach Bonn erforderlich ist. 


Die Logis sind hier sehr billig. Wir zahlen für zwei große

schönmöblierte Zimmer, von denen eins nach der Straße geht,


incl. Bedienung 10 Thlr., werden aber für die nächsten Monate 


noch billigere Logis zu bekommen wissen. Der Kaffee 


mit zwei Milchbrödchen kostet á Person 2 Sgr. Mittags ... [?]


man nach dem ... Man erhält für 1 Thlr. 6 Bouletten. Gegen 


ein Billet kann man für 6 ½ Sgr. nach der Karte essen, 


was vollkommen zur Sättigung hinreicht. Das Essen

ist 
durchaus nicht so schlecht, wie es mir geschildert wurde.


Ihr seht soweit, dass das Leben hier keineswegs mit größeren 


Kosten verknüpft ist, als auf irgend einer anderen Universität,


ja ich möchte wohl behaupten, dass es bei einer ökonomischen 


Einrichtung billiger ist. Was nun wohl auf der einen Seite 


sich hier ansparen [?] lässt, dass wird auf der anderen wieder 


mehr ausgegeben für die ...tischen [?] Vergnügungen,


welche eine Stadt, wie Berlin, in so reichem Maße biethet 


und die man, versteht sich mit Maß und Ziel, genießen 


muss, wenn man seine ... tische [?] Ausbildung nicht ganz 


gar vernachlässigen und die vielleicht ... ... [?] 


schöne Gelegenheit ... ... [?] versäumen will.


Immerhin dürft Ihr versichert sein, dass wir, ohne uns irgendwie 


das Nöthige zu entziehen, mit derselben Summe auskommen

werden, die wir auch auf einer anderen Universität 


[nächste Seite:] beanspruchen müssten. 

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